Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

Ich hab Ragtime 7 zwar gerade nicht installiert, aber einen Blick ins Handbuch geworfen. Darin finde ich keine Informationen über die Erreichbarkeit der in OpenType-Schriften enthaltenen Layout-Features. Kann Ragtime 7 sie noch nicht erreichen oder ist das Handbuch veraltet?

Ist geplant, die HarfBuzz-Text-Engine in Ragtime einzubauen? Das Tolle daran ist nämlich, dass damit selbst nicht offiziel registrierte Layout-Features erreicht werden können, sofern sie im OpenType-Font vorhanden sind.

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13852 On 9 Dezember, 2024 15:00 werkwelt said,

Moin, dosch,
Deine Frage konnte ich auf Anhieb nicht ganz gut einordnen, ahnte aber, daß es sich um Umgang mit Ligaturen handeln könnte. Wikipedia schreibt dazu u. a.: Harfbuzz wird in aktuellen Versionen von Firefox, GNOME, Chrome, LibreOffice,[19] LuaTeX,[20] XeTeX,[21] Android, Java und KDE verwendet.

Wenn ich also hier im browser fi fl ffi ft fl tippe, könnte im Safari-browser die entsprechende Ligatur ankommen.
Zum Vergleich dieselben Buchstabenfolgen mit Leerzeichen dazwischen: f i   f l   f f i   f t   f l

HarfBuzz ist wohl persisch und übersetzt soll es opentype heißen. Opentype entstand durch eine Zusammenarbeit zwischen Adobe und Microsoft so um 2000 und ermöglichte die automatisierte Ersetzung der einfach getippten Buchstaben in die zugehörigen Verbundbuchstaben/Ligaturen. Der nützliche Nebeneffekt dabei ist, daß sogar in E-Mails die schöneren Ligaturen erscheinen, zum Suchen oder für die Rechtschreibfehlerberichtigung/Spelling aber die getippten Einzelbuchstaben erhalten bleiben.

In AppleProgrammen und in Satzprogrammen wie InDesign oder Affinity Designer funktioniert HarfBuzz auf Anhieb. In RagTime erkenne ich solchen Effekt bisher noch nicht. Wie finde ich den?

Jedenfalls wäre auch ich sehr angenehm überrascht, wenn sich solche Eigenschaft in RagTime einstellen ließe. In Microsoft Word ist diese Ligatur-Automatik OpenType HarfBuzz ein- oder abstellbar.

RagTime, FileTime, FileMaker, AppleScript, Zeichenmaschine, SVG und der Arc Fritz FM geben Flügel.

Mit freundlichen Grüßen,
Norbert Lindenthal

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13853 On 9 Dezember, 2024 19:03 dosch said,

Hallo Norbert,

OpenType ist ein Font-Format. Es gibt PostScript- und TrueType-flavored OpenType Fonts (grob gesagt mit den Namenserweiterungen otf und ttf). Ein OpenType-Font kann etliche tausend Zeichen enthalten, also nicht nur Ligaturen. Und nicht alle Zeichen haben einen eigenen Unicode-Punkt. Mal abgesehen davon, dass sie ohne Kodierungen schlechter oder gar nicht mit Tatstatur-Eingaben erreichbar wären, sind Tastatureingaben auch unkomfortabel, wenn z. B. bestimmte Zeichen in einem ganzen Text durch Varianten der Zeichen ersetzt werden sollen. OpenType-Fonts können dafür sogenannte Layout-Features enthalten. Es gibt eine Reihe offizieller Features, aber auch Fantasie-Features sind möglich, sofern sie auf dieselbe Weise ›programmiert‹ werden. Im Grunde sind die Features keine Programme, sondern simple Ersetzungsregeln. Ich habe selbst schon solche Features geschrieben und mit dem Adobe Font Development Kit for OpenType (AFDKO) kompiliert.

Harf-Buzz ist quasi ein Software-Modul, das u. a. die Features verarbeiten kann.

Falls Ragtimes eigene Text-Engine die Features nicht verseteht, frage ich mich, wozu Ragtime eigentlich gut sein soll.

In LibreOffice ist HarfBuzz übrigens seit Jahren eingebaut. Aber die Text-Engine muss nicht notwendigerweise HarfBuzz sein. Kann ja auch eine andere Text-Engine sein. Nur sollte sie OpenType-Layout-Features verstehen.

Liebe Grüße

dosch

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13855 On 9 Dezember, 2024 22:16 werkwelt said,

Moin, dosch,
Deine genauen Hinweise sind interessant. HarfBuzz wird in FontLab als Schriftengestaltungswerkzeug aufgeführt, neben Microsoft ClearType und auch neben Apples Advanced Typography. Für mich ist das alles ziemlich neu. FontLab 8 ließ mich allerdings zwischenzeitlich in die Liste der Ersetzungsregeln hineinschauen. Schriftendesigner haben keine Scheu, mit 2000 oder 4000 solcher Regeln Buchstaben zu ersetzen, wenn sie bestimmten Zusammenstellungen entsprechen. Das scheint wohl auch für Fonts zu gelten, die abwechslungsreiche Handschriften vorgaukeln sollen. Mit Dir weiß ich nun von 4 Schriftenentwicklern, die sich in solche Komplexität einarbeiten und Schriften anbieten. Um sich seltene Sonderzeichen zu merken und die schneller wiederzufinden, hat sich bei mir Popchar von Ergonis bewährt. In Österreich sorgfältig programmiert für beide Plattformen (Win und Mac).

RagTime, FileTime, FileMaker, AppleScript, Zeichenmaschine, SVG und der Arc Fritz FM geben Flügel.

Mit freundlichen Grüßen,
Norbert Lindenthal

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13856 On 9 Dezember, 2024 22:54 dosch said,

Popchar ist klasse. Das kenne ich. Allerdings weiß ich gerade nicht, ob man damit z. B. Kapitälchen erreichen kann, wenn ihnen im Font keine Unicode-Punkte zugeordnet sind. Soweit ich mich erinnere, sollte man sie im Font nämlich nicht mit Unicode versehen, damit Text nach einer mittels des Layoutfeatures ›smcp‹ (small caps) erfolgten Ersetzung in einem PDF o. ä. noch gefunden werden kann. Wenn z. B. in dem PDF das Wort ›Welt‹ in Kapitälchen geesetzt wurde, wird es trotzdem gefunden, wenn du das PDF nach der entsprechenden Kleinbuchstabenfolge durchsuchst. Aber nur, wenn den Kapitälchen im Font keine eigenen Unicode-Punkte zugewiesen wurden, z. B. aus der sogenannten ›Private Use Area‹. Es ist über zehn Jahre her, dass ich mich damit beschäftigt habe, eher 15 Jahre. Und auch nicht professionell, sondern aus Privatinteresse. Damals gab es noch das legendäre Typografie-Forum ›Typophile‹. Leider ist mit dem Untergang des Forums auch eine Menge angesammeltes Know-How verloren gegangen bzw. zerstreut worden, u. a. nützliche Code-Snippets. Es wurmt mich bis heute, dass ich das ganze nicht lokal gesichert habe.

Liebe Grüße

dosch

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13857 On 10 Dezember, 2024 17:35 werkwelt said,

Moin, dosch,

Deine Frage nach ›smcp‹ (small capitals) und zugehörige Unicode-Punkte, also bspw. U+1D07 für das kleine kapitale E, verstehe ich so: Ja, mit Popchar findet man die small caps, aber sie erscheinen nicht abc-geordnet. In Apples Tabelle für Emojis und Symbole oben rechts kann die Untertabelle für Unicode aufgeklappt werden (Zahnrad oben links). Dann U+1D00 für das kleine A aufsuchen. Daneben erscheinen alle möglichen kleinen Großbuchstaben, aber auch hier nicht nach abc geordnet.
Das OT-System von OpenType verstehe ich so, daß nach ausufernd vielen Regeln beim Tippen die Buchstabenabfolgen beobachtet werden, um dann einen einzelnen Buchstaben auszutauschen (oder zwei, oder drei).

Und jetzt kommt das Verständnis für die Zweischichtigkeit des OT. Was das menschliche Auge oder der OCR-Scanner sieht, ist das Austausch-Bild. Aber für Trennregeln, Rechtschreibkorrektur oder Textsuche bleibt in der unsichtbaren Schicht die traditionelle Tipp-Reihenfolge zugänglich und bestimmend. Und hier, in der unsichtbaren Schicht wird auch nach Unicode-Zeichen gesucht und gefunden.

Jetzt eine sehr wichtige Frage an Dich, dosch, weil Du vor längerer Zeit mal nah dran gewesen warst an der Erstellung der OT-Regeln: RagTime fügt die möglichen Trennzeichen ein nach Inso-Trennwörterbuch. Die »möglichen« Trennzeichen werden nicht gezeigt, aber sie werden im Text mittransportiert (beim Zwischenschreiben, beim Kopieren, beim Einfügen). Können OT-Substitutionsregeln den von RagTime errechneten Text mit unsichtbaren weichen Trennzeichen, der sich von der getippten Version unterscheidet, einbeziehen in die Analyse der Buchstabenabfolge, wie sie für die OT-Regelung gebraucht wird?

Diese Frage ist mir aus einem bestimmten Grund wichtig. Nehmen wir als Beispiel das Wort »Strecke«. RagTime kann Deutsch und Deutsch (reformiert) in der Liguistik unterscheiden. RagTimes Text-Engine fügt unsichtbare Trennstriche ein. Und dann wird substituiert, falls das Beispielwort Strecke an das Zeilenende gelangt. Und Stre-cke oder Strek-ke wird gezeigt, wobei beides mit dem Suchwort Streck gefunden wird.
Wenn nämlich die automatisiert – also nicht getippten – entstehenden Texte in die OT-Regeln einfließen können, dann können die älteren schönen Schnelleseschriften wie gewohnt getippt werden.

Und sie zeigen sich in ligaturumgeformtem Gewandt.
Bin sehr gespannt …

RagTime, FileTime, FileMaker, AppleScript, Zeichenmaschine, SVG und der Arc Fritz FM geben Flügel.

Mit freundlichen Grüßen,
Norbert Lindenthal

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13858 On 10 Dezember, 2024 18:36 dosch said,

Ich habe Ragtime wieder deinstalliert, weil ich keine Möglichkeit gesehen habe, Gebrauch von den Layout-Features zu machen. Ich hatte angenommen, dass es sich bei Ragtime 7 um eine Weiterentwicklung handelt, die die Layout-Features versteht. Bezüglich der Ligaturen: Dort, wo eine Trennung möglich ist, sollten im Deutschen ohnehin keine Ligaturen stehen. Im Englischen ist es meines Wissens hingegen erlaubt. Wenn die Text-Engine ordentlich programmiert ist, dann sollte eine Ersetzungsregel, die besagt, dass ein Zeichenpaar ersetzt werden soll, auch dann greifen, wenn sich zwischen ihnen ein weiches Trennzeichen befindet. Sobald aber an der Stelle ein Trennstrich erscheint, weil die Zeile am Ende umbrochen wird, wird die Ersetzungsregel aufgehoben. Aber in den Ersetzungsregeln für das smcp-Feature geht es z. B. nicht um bestimmte Zeichenfolgen. Wenn du die Regeln für eine Feature-Datei erstellst (die später kompiliert wird), dann gibst du am Kopf der Datei Zeichenklassen an, also z. B. eine Klasse für alle Minuskeln und eine Klasse für alle Kapitälchen. Und die Ersetzungsregel lautet dann einfach ›sub @Klasse1 by @Klasse2;‹.

Soweit ich selbst erkennen kann, findet Popchar nur dann Kapitälchen, wenn für sie in dem Font, dem sie angehören, Unicode-Punkte hinterlegt sind, z. B. in der sogenannten ›Private Use Area‹. Aber ich erinnere mich noch daran, dass mir auf Typophile jemand erklärt hat, dass es nicht sinnvoll sei, die Kapitälchen im Font mit Unicode zu versehen, weil sie dann nicht gefunden werden, wenn man in einem PDF nach den entsprechenden Minuskeln sucht. Ich hab mich aber, wie gesagt, schon lange nicht mehr mit dem Thema befasst.

Wenn du die OpenType-Layout-Features eines Fonts testen willst, dann mach das doch in LibreOffice. Oder in Firefox. Für einen Test mit Firefox müsstest du ein wenig HTML und CSS können.

Edit: In LibreOffice führt der bedingte Trennstrich zwischen f und l dazu, dass das Zeichenpaar nicht mehr durch die fl-Ligatur ersetzt wird, u. z. auch dann nicht, wenn die Zeichenfolge mitten in der Zeile steht. Hab ich gerade ausprobiert. Ich weiß gerade nicht, ob sich dieses Verhalten mit Ersetzungsregeln ändern ließe, die das weiche Trennzeichen enthalten.

Liebe Grüße

dosch

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13851 On 9 Dezember, 2024 14:33 admin said,

Hallo,

RagTime nutzt eine eigene Engine für Texte, Kerning und Schriften. Die HarfBuzz-Text-Engine ist uns nicht bekannt.

Ihr RagTime.de-Team

Re: Ragtime 7 -- OpenType-Layout-Features

#13854 On 9 Dezember, 2024 19:13 dosch said,

Ja und wie erreicht man mit Ragtime z. B. OldStyle Figures (Minuskelziffern) wenn die Plätze ›zero‹ bis ›nine‹ mit Ziffern gleicher Höhe (Versalziffern) belegt sind?